YOKOO TADANORI KOLLABORATION I #JAPANOLOGIE #GOETHEUNI
Von unserer Professorin haben wir Fragen bekommen welche wir, unter verschiedenen Gesichtspunkten, zu beantworten hatten. Es geht um die Zusammenarbeit von Yokoo Tadanori und Mishima Yukio, die bis kurz vor dem rituellen Selbstmord von Mishima andauerte.
BESCHREIBUNG DER BEZIEHUNG ZWISCHEN YOKOO UND MISHIMA
Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass die Beziehung zwischen Yokoo Tadanori und Mishima Yukio einerseits rein beruflicher natur war, andererseits aber auch darin bestand, dass Yokoo ein perfekter Statist, für die Inszenierung von Mishimas Ideal des überlegenen Samurai, darstellt. Doch dies wäre eine oberflächliche Betrachtungsweise, denn schaut man sich weitere Werke an, und zieht Aussagen Yokoos, zu denen wir gleich kommen, hinzu, dann ist die Beziehung gewiss mehr als nur die eines Künstlers der einen Auftrag eines anderen Künstlers erfüllt.
Die Beziehung zwischen Mishima und Yokoo war so intensiv, dass Mishima sogar drei Tage vor seinem rituellen Selbstmord, am 25. November 1970, zu ihm noch Kontakt pflegte und ihn darum bat, seine Arbeit, die er bei Yokoo in Auftrag gegeben hatte, zu beenden, denn die Zeit läuft ab. Diese Ermahnung habe sich, so Yokoo, regelrecht in sein Herz gebrannt, bis heute.1 Aber die spezielle Beziehung der beiden Ausnahmekünstler war hier noch nicht zu ende. Yokoo hatte 1970 einen Autounfall und war für längere Zeit ans Bett gefesselt, ihm fehlte schlichtweg die Kraft aufzustehen und zu laufen. Als er vom Selbstmord Mishimas erfuhr war dieser Schock so intensiv, dass Yokoo wieder die Kraft fand zu laufen.2
Schaut man sich nun verschiedene Arbeiten von Yokoo an so merkt man schnell, dass diese von einem Künstler geschaffen wurden der sein Objekt bzw. dass was er darstellen möchte sehr gut versteht, und dies in vielerlei Hinsicht. Mishimas Selbstinszenierung finden durch Yokoos Arbeit (Bild 3) eine ganz neue Ebene die für den Zuschauer gewiss nicht aufdringlicher ist als das, was man von Mishima bereits gewohnt ist, aber durch das Schaffen Yokoos einen Filter der Intensivierung durchläuft den man so noch nicht kannte. Voraussetzung für diese Arbeit ist ein tiefes Verständnis der beiden Künstler zueinander aber auch des Respekts, Bewunderung und Wertschätzung der Arbeit des jeweiligen anderen. Weitere Aspekte der Verbindung zwischen Mishima und Yokoo sehen wir noch im weiteren Verlauf. Auch welche Besonderheiten, anhand von Yokoos Arbeiten und der Inszenierung durch andere, diese Beziehung aufzeigt.
NICHT IMMER EINIG
Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass zwischen den beiden Künstlern nicht immer Einigkeit herrschte. Kurz vor seinem Selbstmord entwarf Mishima den Bildband 男の死 (Der sterbende Mann). In kürzester Zeit wurden, laut Yokoo, viele Aufnahmen von Mishimas inszenierten Tod gemacht. Dabei sollten auch etliche Aufnahmen von Yokoo entstehen. Der Unterschied zwischen den Aufnahmen lag darin, dass der Tod, dargestellt durch Mishima, grausam, schrecklich und bizarr, sein sollte. Yokoo hingegen sollte mit seiner jugendlichen Aussehen für den sinnlichen Tod posieren, der an das Buddhistische Paradies erinnere. Doch der Autounfall Yokoos kam dazwischen und er konnte der Bitte Mishimas, für dieses Bildband zu posieren, nicht nachkommen. Kurz darauf nahm sich Mishima das Leben. Durch diesen schockierenden Akt sah Yokoo keinen Sinn mehr darin für diese Art der Darstellung zu posieren.3
WIE WÄRE DIE INSZENIERUNG MIHSIMAS DURCH DEN KÜNSTLER YOKOO IN DESSEN MISHIMA-MALEREI ZU CHARAKTERISIEREN?
Mit Blick auf die Selbstexotisierung Mishimas könnte man annehmen, dass er Yokoo darum gebeten hat seine bereits vorhandenen Fotografien aus 薔薇刑 (Gequält durch Rosen / Getötet durch Rosen, 1963) zu nehmen und ihnen noch mehr Extravaganz zu verleihen (Bild 3). Zieht man erneut das bereits erwähnte Interview4 zu Rate, dann ist dieser Gedanke nicht allzu abwegig. Yokoo erwähnt hier, dass er sich zum Ziel gesetzt hatte Mishima in die Pose des sterbenden Buddhas zu setzen, welcher in Gold gehüllt, von Rosen gequält wird. Weiter berichtet er, dass Mishima diese Darstellung seiner selbst sehr gelungen fand und nur Zustimmung für Yokoo übrig hatte. Die Zusammenarbeit der beiden Künstler mündete in einer Neuauflage von 薔薇刑 (Gequält durch Rosen / Getötet durch Rosen) das 1971 erschien.5
Ein weiteres Bild schlägt einen ähnlichen Ton an (Bild 4). Es ist ein Gemälde das Mishima als den Heiligen Sebastian zeigt, welches auf einem Foto von Shinoyama Kishin basiert. Auch hier fügt Yokoo provokative Elemente wie eine gefesselte Frau, eine moderne Glühbirne, welche Mishima in ein güldenes Licht taucht und die Statue eines kleinen Kindes, das in den Seerosenteich uriniert, hinzu.
Bilder, die Mishima bereits provokativ und selbstverherrlichung darstellen, rückt Yokoo nochmal in ein neues Licht und zeigt Mishima schon fast übermenschlich, ähnlich einer Gottheit. Hieraus könnte man sogar eine gewisse Verehrung der Person Mishima erkennen. Yokoo hat ein Talent dafür, Mishima genau so darzustellen, dass seine Bilder avantgardistisch Anerkennung finden und dies nicht nur bei Mishima selbst. Die Gradwanderung, dass seine Werke nicht ins kitschige abzurutschen drohen oder gar Mishima ins Lächerliche ziehen.
WIE PORTRÄTIERT DER FOTOGRAF SHINOYAMA KISHIN DEN SCHRIFTSTELLER UND DEN GRAPHIKER?
Das erste Foto (Bild 1) zeigt Yokoo Tadanori in einer nahezu unterwürfigen Haltung, während Mishima Yukio ihn in den Schwitzkasten genommen hat. Sein Schwert hat er in eine bedrohliche Haltung gebracht und es zeigt die Macht oder auch Überlegenheit, die Mishima über Yokoo zu haben scheint. Mishima zeigt sich nahezu nackt, da er sich bereits in einer Zeit seines Lebens befand, in der er mit Muskeltraining, womit er bereits 1955 begann, dem natürlichen Alterungsprozess seines Körpers entgegenzuwirken versuchte. So stellt er seinen gestählten Körper zu schau um zu zeigen, dass das Alter ihm nichts anhaben kann. Im Kontrast dazu hat Yokoo Kleidung an und trägt sogar eine Mütze, ist somit also genau das Gegenteil von Mishima.
Aus der gleichen Session gibt es ein weiteres Foto (Bild 2) welches Yokoo und Mishima in einer entgegengesetzten Pose darstellt. Yokoo steht aufrecht hinter Mishima und hat seine linke Hand auf dessen Schulter gelegt, während Mishima vor ihm auf ein Knie herunter gegangen ist. Einerseits zeigt diese Komposition Mishima wie er gerne gesehen wird allerdings zeigt es auch eine gewisse Macht die von Yokoo ausgeht und Mishima fast zu kontrollieren scheint, ohne dass dieser sein Gesicht verliert. Mishima wirkt noch bedrohlicher, da er nicht nur ein Katana sondern auch ein Wakizashi in der Hand hält. Doch der Blick und die Hand Yokoos auf der Schulter Mishimas suggeriert dem Betrachter, dass der die ‘Bestie’ Mishima unter Kontrolle hat, vielleicht etwa so, wie auf dem Bilder zuvor, auf dem Mishima Yokoo unter Kontrolle hatte.
BEIDE BILDER IM KONTEXT ZUEINANDER
So stellt Fotograf Shinoyama Kishin die beiden Künstler, Yokoo Tadanori und Mishima Yukio, nahezu als gleich berechtigte da allerdings nie so, dass einer der beiden als zu unterwürfig scheint oder in den Hintergrund tritt. Er schafft es eine Balance zu erreichen, welche beiden Künstler ihre Individualität lässt aber dennoch sie jeweils sich dem anderen unterordnen lässt. Man spürt den Respektvollen Umgang den beide Künstler untereinander pflegen und dies hat Shinoyama sehr gut eingefangen, gerade bei der Betrachtung beider Fotografien im Kontext zueinander.
LITERATURVERZEICHNIS
YOKOO, T., & PERCEVAL, S. (2006). Tadanori Yokoo: [publ. on the occasion of the exhibition Tadanori Yokoo, presented at the Fondation Cartier pour l’Art Contemporain in Paris, from March 4 to May 28, 2006]. New York, NY, Thames & Hudson.
HOSOE, E., MISHIMA, Y., & YOKOO, T. (1971). Barakei: Hosoe Eikō shashinsakuhin. Tōkyō, Shūeisha.
HOSOE, E., & MISHIMA, Y. (1963). Barakei: Hosoe eikō shashinshū. Tōkyō, Shūeisha.
BILDVERZEICHNIS




1. Aus einem Interview welches im Bildband zur Ausstellung “Fondation Cartier pour l’Art Contemporain” 2007 veröffentlicht wurde.
2. ebd.
3. ebd.
4. ebd.
5. HOSOE, E., MISHIMA, Y., & YOKOO, T. (1971). Barakei: Hosoe Eikō shashinsakuhin. Tōkyō, Shūeisha.
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